Dienstag, 10. Juli 2012

Visby räumt auf

Nach rauschender Überfahrt von Öland nach Gotland finde ich mich in einer unerwarteten Szenerie wieder, die mit meinen Skandinavien-Klischees aufräumt. Ich lerne, dass Skandinavien nicht immer geschmackvoll, zurückhaltend, höflich bis still, stilsicher ist: Bei meiner Ankunft stehen Menschen mit großen Sonnenbrillen und kleiner Kleidung auf riesigen Motorbooten, in der Hand große Klare, in der Luft massige Bässe und Diskosound, zu dem Damend wie Herren schwankend tanzen - aus den Lautsprechern: die Skorpions. Uiuiui. Scheinbar ist Visby allsommerlicher Treffpunkt für Leute mit Partylaune, ausreichend Geld, starken Ohren, starken Mägen und Lust an Hafenkulisse. Auf einem Boot prangt eine Flagge: At the end of your life, the one with the most toys wins. Die Kollegen hier vor Ort haben gute Chancen: 20m Motoryacht mit Tanzdeck, Jetski, beleuchtetem Unterwasserschiff, üppig ausgestatteten Beibooten (übrigens deutlich stärker motorisiert als meine bergamotti) und Segways gehören zum Standard.
In dieser Gesellschaft fällt meine kleine Schwedin bergamotte als Exotin auf und der Hafenmeister erzählt mir, wie er sich bei bergamottes Einlaufen in den Vorhafen kopfschüttelnd gewundwert habe, dass jemand mit so einem kleinen Boot jetzt draußen sein könne. Anerkennend fügt er hinzu, nach dem Anlegen habe gerade seine Meinung geändert. bergamotte und ich werden einen Zentimeter größer und freuen uns, immer noch kleiner zu sein als die Nachbarn.